Von der gegenüber liegenden Straßenseite sieht das Gebäude in der Potsdamer Lindenstraße unauffällig vornehm aus: ein im 18. Jahrhundert als gehobenes Wohnhaus errichteter Komplex, dem die Schüler der August-Hermann-Francke-Schule nie zugetraut hätten, dass die nach hinten liegenden Gebäudeteile ein komplettes Gefängnis enthielten. Nun bestand das im Rahmen der Klassenfahrt nach Berlin durchgeführte Projekt darin, sich in Gruppen unter verschiedenen Fragestellungen Geschichte und Bedeutung der heutigen Gedenkstätte anzueignen und den Mitschüler dann reihum das selbst erarbeitete Wissen vorzutragen. So erfuhren die Zehntklässler, dass an diesem historischen Ort in der Nazizeit das so genannte Erbgesundheitsgericht untergebracht war, bevor ein Gefängnis für politische Häftlinge eingerichtet wurde, das nach dem Krieg die sowjetische Geheimpolizei und anschließend die Staatssicherheit der DDR in gleicher Funktion nutzten. Da die Fassade weiterhin ein bürgerliches Palais darstellte und statt Gefängnistransportern neutrale Fahrzeuge ein- und ausfuhren, konnte dieses im Wohnbezirk Potsdams gelegene Bauwerk während verschiedener Unrechtssysteme ohne Wissen der Bevölkerung als Haftanstalt fungieren. Die Jugendlichen aus Gießen besichtigten mit ihren Politik-Lehrern Gabriele Gessner und Axel Hollnagel die authentisch erhaltenen Einzel- und Gruppenzellen, Verhörräume sowie kleine Freigangzellen im Innenhof. Die Auseinandersetzung mit den auf Infotafeln dokumentierten Einzelschicksalen ergänzte die besonders eindrückliche Lernerfahrung an einem Ort politischer Verfolgung.
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